Wo ist Gott im Yoga? Eine Spurensuche zwischen Religion und Freiheit
Zwischen Religion, Gott und Yoga – den eigenen Weg finden
Jeder Mensch wächst in einem mehr oder weniger intensiv gelebten religiösen Umfeld in- und außerhalb des Familienkreises auf und erfährt dadurch Prägungen. Bei mir, Andrea, ist es das christliche Weltbild, das mich seit meiner Kindheit begleitet. Und dennoch habe ich mir immer wieder schon als Kind die Frage gestellt, welchen Unterschied es da geben soll zwischen meinem Gott, jenem Gott im Judentum oder des Islam und ich bin für mich damals schon zu dem Schluss gekommen: es gibt keinen, es kann keinen geben, denn wenn ich woanders aufgewachsen wäre, dann hieße mein Gott entsprechend anders, aber es würde außer dem Namen keinen Unterschied machen. Ich liebte die mir bekannten christlichen Rituale wie das Rosenkranz-Beten mit meinen Großeltern oder auch die wöchentlichen familiären und klosterschulischen Kirchenbesuche. Je älter und reflektierter ich wurde, umso kritischer musste ich die gelebte Religion in den Kirchen betrachten, denn die Diskrepanz zwischen der Lehre Jesu und dem gelebten Kirchenleben erscheint mir sehr groß. Der dogmatische Zugang mit den festen Regeln der großen Religionen gibt zwar Halt, aber er engt auch ein, arbeitet mit Belohnung und Bestrafung, kann Angst machen und gibt oft wenig Raum für eigene Erfahrungen.
Yoga geht hier einen anderen Weg. Yoga ist keine Doktrin oder eine Philosophie aus nur einem Buch, die von einem Mystiker spricht, wie so manche Religion. Yoga ist vielmehr altes Wissen, das entstanden ist durch eine kontemplative Kultur, die über das Menschsein reflektierte. Die Yoga-Tradition ist vielfältig aufgrund vieler Faktoren wie Zeit, die Größe des indischen Subkontinents, die Vielzahl der darin vorkommenden Sprachen und Kulturen und Yoga lebt: Yoga ist immer verwoben mit dem sozialen Umfeld und damit einer Entwicklung unterworfen. Leider wird heutzutage der metaphysische Aspekt des Yoga zunehmend in den Hintergrund gedrängt aufgrund des leichter und bequemer lehrbaren und lernbaren physischen Zugangs.
Die alten Schriften wie Das Yoga Sutra des Maharishi Patanjali, die Bhagavad Gita von Vyasa oder die Upanishaden zeigen Erfahrungswerte auf, auf die schon unzählige Menschen vertraut haben. Spannend ist der unterschiedliche Zugang zum Gottesbegriff. Die Sankhya-Philosophie, auf der Das Yoga Sutra aufbaut, kennt keinen Gott. Und doch spricht Patanjali von Ishvara, einem Prinzip, das Orientierung und Vertrauen schenken kann. Die Bhagavad Gita hingegen zeigt Gott als persönlichen, liebenden Begleiter namens Krishna, der den Menschen auf seinem Weg unterstützt. Auch die Upanishaden betrachten Gott nicht als persönlichen Herrscher, sonders als alles durchdringende Wirklichkeit Brahman, die in jedem von uns erfahrbar ist. So offenbart Yoga eine Vielfalt, die nicht dogmatisch, sondern wählbar ist.
Viele alte yogische Schriften stammen von Mönchen. Heute geht es im Yoga darum, ihre Weisheit in unser tägliches Leben zu übersetzen. Dafür brauchen wir nicht zwangsläufig ein Kloster. Es lohnt sich innezuhalten und sich zu fragen: Was will ich mit Yoga erreichen? Was bringe ich mit? Welchen Weg möchte ich gehen? Yoga kennt viele Übungswege auch Margas genannt, die alle zu mehr Freiheit, Klarheit und Bewusstheit führen: Bhakti (Hingabe), Jnana (Erkenntnis), Karma (Handeln) oder Raja (Meditation).
Natürlich darf hier Hatha Yoga nicht fehlen. Hatha Yoga entwickelte sich aus der tantrischen Kundalini-Tradition, in der Körper, Atem und Energie bewusst gesteuert werden. Auch wenn Hatha Yoga historisch später entstand, ist es heute in der westlichen Welt, die meistgeübte Form und leider oftmals auf eine rein körperliche Praxis reduziert, obwohl auch diesem System eine Ganzheitlichkeit mit dem Ziel von Freiheit und Bewusstheit zugrundeliegt.
Yoga ist kein Rückzug aus dem Leben. Ich verstehe Yoga als einen ganzheitlichen Übungsweg und eine Öffnung und Entscheidung für das Leben – mit Vertrauen, Achtsamkeit und den hohen Zielen Bewusstheit und innere Freiheit.



